Performance-Eltern

Ein kleiner Berg-Spaziergang. Auf dem Weg dorthin, müssen wir eine „Freizeitautobahn“ passieren, auf der tausende Fahrradfahrer und Sonntags-Hundeausführer ihr Unwesen treiben.

Es kommt uns entgegen: Die Manager-Familie von morgen. Papa im Casual Ralph-Lauren-Karohemd zur kobaltblauen Hose im Jeans-Schnitt. Dazu Lederslipper und den weissen Pulli locker um die Schultern. Eine RayBan auf der Nase. Dazu das passende Frauchen: blonder Pferdeschwanz, V-Pullunder über weiblicher Ralph-Lauren-Karobluse. Dazu beige Chinos und Ballerinas. Vor sich her schiebt das Pärchen einen Porsche-Kinderwagen mit einem Deko-Mädchen im Wir-gehen-noch-zur-Oma-Rüschenkleid und Reiswaffel in der Hand. Reiswaffeln sind die neuen Brezen. Machen nicht so eine Sauerei, wenn sie kleingelutscht werden, haben nahezu keine Kalorien, dafür aber wichtige Spurenelemente. Schmecken trotzdem nicht, den Blicken der Kinder nach zu urteilen.

Manager-Mutter dreht sich um und ruft: „Luis, jetzt komm endlich!“ Natürlich heisst das Kind Luis. International auszusprechen, weltgewandt, jetset.
Ca. 20 Meter weiter hinten sitzt ein kleiner Junge – keine 4 Jahre alt – auf einem Fahrrad und müht sich ab, der Familie hinterher zu kommen. Manager-Vater: „Das gleiche wie gestern, jetzt bricht er wieder ein.“
Bitte was? Es ist ein Kind! Immer wieder erschrecken mich diese Perfomance-Eltern. das Kind muss Leistung bringen. Mit 4 Jahren lesen, schreiben und 4 Fremdsprachen sprechen. Einen Halbmarathon laufen, im Fußball der beste sein. Töpfern, Zeichnen und Klavier spielen. Und ja nicht einbrechen, nachmittags um Vier.
Um diese Zeit haben wir als Kinder mit 4 Jahren immer eine Mittagsschläfchen halten müssen. Ob wir wollten oder nicht. Aber heute, heute wird performt.

Als wir auf Höhe des kleinen Luis sind, sieht er fast so aus, als hätte er sich gerade einen Plan überlegt. Ob er mit seinem Fahrrad den Bach passieren könnte? Und ob die Kraft noch reicht, bis zur Oma zu radeln wo man einfach nur Biene Maja gucken darf und einen Fruchtzwerg essen?
Ich hoffe, er hat’s geschafft.

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