Konferenzkekse.

Neulich dachte ich an Konferenzkekse.

Diese wahlweise – auch von Luftfeuchtigkeit und Wetter abhängig – steinharten oder schaumgummiartigen mit pappiger Schokolade überzogenen Mehl-Zucker-Gemische die an der Serviette oder der Kaffeetasse kleben. In wichtigen Meetings kleben sie auch schon einmal auf Tellern, die in der Mitte des Tisches stehen. Denn dann bekommt jeder Teilnehmer mindestens drei. Soviel Platz ist auf der Standard-Konferenz-Untertasse in der Regel nicht.

Meist klebten diese Kekse vorher im Schrank der Abteilungsküche, auf der Arbeitsplatte und an den Fingern der Assistentin, schon bevor sie an ihren eigentlichen Bestimmungsort, den Rand der Untertasse, geklebt wurden. Oft wurden sie auch drei bis zehn Mal von eben dieser Assistentin in der Schachtel hin- und hergeklebt, wenn der nachmittägliche Heisshunger kommt und sie „nur eins“ rausnehmen wollte. Das merkt niemand. Dann natürlich den richtigen, wenn man sich schon einmal etwas gönnt und vor allem etwas Verbotenes tut. Denn die Kekse sind nicht zum einfachen Verzehr bestimmt und es gibt großen Ärger, wenn diese von der Belegschaft dezimiert werden. Da nimmt man nicht einfach den Keks, der ganz oben liegt, sondern sucht sich einen besonderen aus. Das Waffelröllchen zum Beispiel, das so herrlich knuspert, vor es für die nächsten drei Stunden die Backenzähne verklebt. So hat man noch eine Weile etwas von diesem verbotenen Erlebnis.

Wahrscheinlich sind dieses regelmäßige Umsortieren der 2-kg-Großpackung und auch die Luftfeuchtigkeit durch das immer mal wieder Nachsehen, ob noch alle Kekse da sind, der Grund für die außergewöhnliche Einzigartigkeit dieser kleinen „Extras“ zum Meeting-Kaffee. Käse wird auch regelmäßig gewaschen und gebürstet. Und muss lange liegen, bis er gut ist. Auch Weinflaschen müssen vom Winzer immer mal wieder genau im richtigen Winkel gedreht werden, damit der Inhalt schön reift. Diese wichtige Aufgabe hat in Sachen Konferenzkeks meist die Assistentin (zur Gleichstellung: natürlich kann es auch ein Assistent sein, der diese Funktion in der Abteilung inne hat).

Die ersten 30 Minuten des Meetings fristen die Kekse ein jämmerliches Dasein. Von allen verabscheut und für furchtbar widerlich befunden, werden sie mit dem Löffel von der Tasse gekratzt oder in die Serviette eingefaltet, um den Kaffee ungestört trinken zu können. Es soll schließlich verhindert werden, dass der heisse Tasseninhalt zur partiellen Verflüssigung der Kekse führt.

In den zweiten 30 Minuten des Meetings werden die Kekse mit dem Löffel traktiert, in der Serviette hin und her geknüllt. Es werden ihnen ihre Sollbruchstellen abgeknibbelt, sie werden scharf beobachtet. Angefasst werden sie in der Regel noch nicht. Denn die ersten 30 Minuten Widerlichkeit hallen in den Meetingteilnehmern noch zu sehr nach.

Nach ca. 60 Minuten Meeting haben die Kekse dann ihren großen Auftritt. In den Augen der Manager, die um den Tisch sitzen, werden sie minütlich wertvoller und sehen vor allem immer besser aus. Förmlich ein Aschenputtel-Märchen aus der Keksdose. Mit sinkendem Zuckerspiegel, steigender Langeweile und potenzierter Hibbeligkeit sehen diese Kekse plötzlich aus, wie von Oma selbstgemacht. Herrlich duftend-knusprig. Mit frischen Zutaten direkt aus dem Ofen. Mandel-Splitter, Bitterschokolade und kandierte Marmelade lachen plötzlich von der bank-blauen Serviette.

Und genau auf diesen Moment haben sie gewartet. Die Kekse. Ihren großen Moment, wenn plötzlich alle Hände unauffällig Richtung Teller wandern und jeder den Keks mit dem Schachbrettmuster haben will.

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