„Das Kind ist hinterher.“ War das zentrale Thema einer abendfüllenden Unterhaltung der „besseren Gesellschaft“. Am Tisch: 4 Karriere-Frauen. Und ich. Wie auch immer ich dahin geraten war. Nun war ich eben hier.
Nicht, dass ich mich nicht zu den Karriere-Frauen zählen würde – denn ich bin durchaus höchst zufrieden mit meiner Entwicklung – aber Ihr könnt Euch bildlich vorstellen, welchen Typus ich meine. Frauen, die alles unter einen Hut bringen. Gutes (nun ja, gehobenes) Elternhaus, das man auch gerne mit sündhaft teurer Klamotte zum Ausdruck bringt, die leider mindestens 10 Jahre älter macht, dafür aber kleine Krokodile, YSL’s oder Polospieler aufgestickt hat. Da ist es auch völlig egal, ob pink und lila dem eigenen Teint schmeichelt. Viel wichtiger ist die Hey-ich-kann’s-mir-leisten-Aussage.
Dazu ein Mann. Nicht zwingend ein liebenswerter, bodenständiger und einfühlsamer Kerl mit ähnlichen Interessen, dafür aber einer mit Status und Geld. Und einem Job auf der Visitenkarte, der in der Damenrunde beim „Wer-bin-ich-und-was-hab-ich-Quartett“ sticht. (Kennt Ihr noch dieses Autoquartett? Daran fühle ich mich in solchen Runden immer erinnert.)
Unternehmensberater sticht Assistenzarzt. Patentanwalt sticht Ingenieur. Und Tiffany-Klunker sticht Verlobungsring aus dem Kaugummiautomaten. Natürlich.
Nun ist es an der Zeit, dass die Dame neben dem Studium an der Privatuni und ersten Erfolgen im Job auch ein Kind mit in den Ring wirft. Denn die guten Gene müssen weitergegeben werden. Und es gibt ein Familienmitglied mehr, für das man viel Geld für Klamotten und Equipment ausgeben und das man später auch im Quartett zücken kann.
Das akute Problem allerdings nun: „Das Kind ist hinterher.“ Denn es kann mit 14 Monaten nicht laufen. Ein Drama. Alle am Tisch sind schockiert. Wie kann das sein? Bei zwei dermaßen intelligenten Eltern? Und der frühkindlichen Sprachförderung durch die japanische Nanny? Sie waren doch auch immer beim Babyschwimmen und überhaupt? Und jetzt stellt Euch das vor: wie peinlich. Das einzige Kind in der Krippe das noch nicht laufen kann. Dabei hat man alles erdenkliche getan?
Der zugehörige Unternehmensberater-Vater hat einen Vaterschaftstest angeordnet. Denn es kann wohl nicht sein, dass „das dumme Kind“ seinem Gen-Material entstammt.
Ich finde: es ist ein sehr schlaues Kind. Ich würde auch einfach liegen bleiben. So lange, bis mich alle so behandeln wie ich eben bin: Ein Baby mit 14 Monaten. Und vor allem, bis vielleicht jemand erkennt, dass ich ein bisschen Nähe, Liebe und Zuneigung viel dringender brauche, als einen Strampler mit aufgesticktem Krokodil, Ralph Lauren Schuhe (ich kann sowieso nicht laufen… ) und frühkindliche Förderung.
Lafen kann ich später immer noch.