Es gibt sie noch. Die Originale, die zuerst ihren Nachnamen nennen. Auf dem Bayrischen Land üblich.
Um zu wissen, welcher Sepp gemeint ist, gibt’s den Huber Sepp, den Meier Sepp und den Plenk Sepp. Gegebenenfalls noch den jungen Maier Sepp und den alten Maier Sepp. Einfach, oder?
Die Kette der Nachnamen ist endlich. Die der Vornamen noch endlicher. Dass ein Viertel des Dorfes Huber heisst und die Hälfte Sepp: keine Seltenheit. Dann ist gleich klar, dass von Niederneuching die Rede ist. Den in Mintraching heissen sie alle Fischer oder Hans. Oder beides.
Der Schröder, Andi – Niederneuching (Name und Ort von der Redaktion geändert) repariert Motorräder in seiner Garage. Und ich freute mich von ganzem Herzen über ein Telefonat der anderen Art:
Schröder, Andi (meldet sich): „ja servus, da Schröder Andi – Niederneuching ist da.“
ich: „ja, hallo, die Eva.“
Schröder, Andi: „ja grias Di, Eva.“
Diese typisch Bayrischen, dreiteiligen Telefon-Intro-Dialoge. Fantastisch! Kein Bauerntheater könnte das im Buch schöner schreiben. Das katapultiert mich immer sofort in meine Kindheit zurück, als die Telefonnummer der Oma noch dreistellig (!) war.
ich: „ist das Motorrad schon fertig?“
Schörder, Andi: „laft wia a Glöckerl.“
ich: „kannst Du die Unterlagen schicken?“
Schröder, Andi: „ja freilli, schreibst ma a E-Mail mit da Adress.“
ich: „und die Bezahlung?“
Schröder, Andi: „des mach‘ ma dann scho.“
E-Mail? Ist auf dem Land angekommen. Und gleichzeitig bin ich wahnsinnig gerührt von so viel Menschlichkeit. Der Schröder Andi – Niederneuching lebt in einer fantastischen Welt. Die sich ein bisschen so anfühlt, als wäre dort meine Kindheit konserviert worden. Er ist ehrlich, grad raus und unheimlich verlässlich. Wenn er etwas sagt, dann ist das so. Und ausg’macht ist ausg’macht.
In der Stadt würden wahrscheinlich viele so etwas treudoof nennen. Ist es aber gar nicht. Ganz im Gegenteil. Da ist ein Mensch, der noch echte Werte hat und diese auch bei seinem Gegenüber erwartet, ohne Vorbehalte.
Und genau bei dem Vertrauensvorschuss in den Rest der Menschheit gibt es einen Knick, wenn plötzlich nicht mehr alle mitspielen. Ich habe zunehmend den Eindruck, dass diese sehr geschätzte Spezies Mensch langsam aber sicher ausstirbt. Denn wenn nur einer ausschert, und einen dieser Spezies über den Tisch zieht, verliert dieser sein Urvertrauen in die Menschheit und es ist gar nichts mehr ausg’macht. Dann spielen wir plötzlich alle falsch.
Ein Beispiel: Bei mir zu Hause, wenn der alte Maier Sepp vor zwei Monaten zusagte, dass das Holz am Dienstag um 10 Uhr angeliefert wird, dann war es da. Um Punkt 10 Uhr. Am Dienstag. Auf den Ster genau. Und wir hatten selbstverständlich das Geld parat, um den vor zwei Monaten vereinbarten Betrag zu bezahlen. Vollständig. Auf die Mark und einen Fünfer Trinkgeld. So einfach war das.
Heute geht so etwas einfach nicht mehr. Denn: es wird 20 Mal der Termin verschoben. Dann ist das Holz vergriffen und wir sollen uns ein anderes aussuchen. Das teurer ist. Dann gibt es Lieferschwierigkeiten. Dann vereinbaren wir einen Termin am Freitag um 15 Uhr. Dann kommt keiner. Aber wir bekommen eine SMS, dass es eine Woche später wird. Und letzten Endes wird uns zu wenig Holz in schlechter Qualität angeliefert und eine Rechnung über das doppelte serviert. Zuzüglich Anfahrt, von der vorher nie die Rede war.
Sehr traurig.
Ich persönlich habe mir vorgenommen, dass ich wieder öfter was ausmach‘. Vielleicht finden meine Gegenüber ja auch Gefallen daran, wenn es so einfach ist.