Nur ein kleines Zauberwort.

Was ist los mit uns? Heute ist einmal wieder einer dieser Tage, an denen ich mich mehr als tausendmal bedanken möchte. Freundlich lächeln. Einen schönen Tag wünschen. Türen aufhalten.  Für die anderen. Weil ich mich fast schäme für das Verhalten meiner Artgenossen.

Morgens werde ich zum Kaffee in meinem E-Mail-Postfach mit „fyi“ und „ok“ begrüßt. Ganzer Inhalt der E-Mails. Über Facebook erreichen mich Nachrichten mit „kannst Du mal kurz schauen?“, „hast Du … ?“ und „wenn Du kurz…“, zudem habe ich auf meiner Mailbox (eines geschäftlichen Anrufers von 7.18 Uhr) ein wirres Kauderwelsch aber keinen Namen und keine Nummer, wer dort etwas von mir will. Einen „guten Tag“ oder ein „auf Wiederhören“ erwarte ich schon gar nicht mehr. Der DHL Mann lässt mir das Paket vor die Füße fallen und scheint taubstumm – zumindest perlen mein „Guten Morgen“ und „Einen schönen Tag“ an ihm ab wie Regentropfen. Wortlos streckt er mir das Unterschriftengerät entgegen.

Die Bäckereifachverkäuferin begrüßt mich mit „was?“ und knallt mir nach meiner Bestellung mit einem „58 Cent!“ die Tüte auf die Theke. Natürlich verlasse ich die Brottheke nicht, ohne dass mir meine Hinterfrau zweimal mit dem Einkaufswagen in die Hacken gefahren ist.

Rechts vor Links? Scheint es in München nicht mehr zu geben. Den Blinker benutzt niemand und es ist klar, dass man die Lücke für Linksabbieger an der roten Ampel zufährt. Warum sollte der andere auch schneller voran kommen als ich?

Als ich das Lokal, in dem ich zum Lunch verabredet bin, betrete und einer Dame mit Kinderwagen die Tür aufhalte, geht sie wortlos hindurch. Dafür lässt mir mein Vordermann die Zwischentür auf die Nase fallen.
Im Lokal fragen wir am Nebentisch, ob wir uns wohl einen Stuhl borgen können (das Pärchen sitzt zu zweit mit sechs Stühlen am Tisch) – Nein. Die sechs Stühle langweilen sich alleine weiter, bis wir gehen. Natürlich nicht, ohne 15 Minuten in einem fast leeren Lokal auf die Kellnerin gewartet zu haben, um zu bezahlen.

Es wäre so einfach, die Welt ein bisschen erträglicher zu gestalten. Ein „Bitte“, ein „Danke“, ein Nicken oder ein Lächeln. Vielleicht sogar ein kleines Kompliment. Das sind die kleinen Schlüssel, die das Nebeneinander zum Miteinander machen.
Ich habe es noch nicht aufgegeben.

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Valentinstag.

Noch so ein Wort, bei dem spontan tausende Dinge aus mir heraus plaudern wollen. Bei dem sich sofort alle Haare aufstellen. Wo mein Puls in die Höhe schnellt und ich – wie mein Kater wenn er sich aufregt – anfange mit den Augen zu zittern. Kennt Ihr diese kleinen Hunde, die eigentlich Ratten mit langen Beinen und Babyköpfen sind? Aber irgendwie doch unglaublich niedlich? Die zittern auch permanent. Und ich glaube, die tun das nicht vor Kälte…. Ob das nun allerdings mit Valentinstag zu tun hat, wäre zu weit hergeholt. Auch wenn eine dieser unabhängigen Studien das sicherlich hinbekäme.
Im Grunde wollte ich nur bildlich beschreiben, wie es mir bisweilen geht, wenn ich bestimmte Wörter höre.

Zurück zum Valentinstag. Übersetzt: Zwang der Werbe-, Blumen- und Schokoladenindustrie, überteuerte Dinge zu kaufen und sich fürchterlich schlecht zu fühlen, wenn wir das nicht tun, weil das Gegenüber – das einer Art Freuzwang unterliegt – von uns eventuell enttäuscht sein könnte, wenn wir nicht mitmachen. Und das Freuzwang-Phänomen ist meist sogar noch angeheizt durch eine Art sozialen Drucks. Weil es irgendwie doof ist, wenn man auf die Frage „und? Was hast Du zum Valentinstag bekommen?“ mit „nichts“ antworten muss. Mir macht sowas Spaß – diese „och, die Arme“-Gesichter auszulösen. Aber viele lassen sich dann doch Zweifel einreden, ob die Beziehung denn die richtige sei, wenn der Liebste „nicht mal zum Valentinstag“ etwas springen lässt.
Wie bitte?

Ich finde das traurig. Denn was ist ein Partner wert, der mir nur dann eine Blume schenkt, wenn er an jeder Straßenecke, auf jedem Plakat und schon Wochen vorher in allen Medien dazu gezwungen wird? Von dem wir uns nur etwas schenken lassen, um vor unseren Freunden nicht „blöd“ dazustehen?
Es ist doch viel wertvoller, wenn der Liebste ein spontanes Gänseblümchen ausrupft. Eine Zwischendurch-Nachricht schreibt oder seine Kaffeetasse abspült. Wenn die Wärmflasche nach einem langen kalten Tag schon im Bett liegt.
Wenn er mir Sternschnuppen zeigt und wissend lächelt, was ich mir gewünscht habe. Wenn er bei einem Spaziergang durch den Wald die Pflanzen- und Tierwelt erklärt. Wenn in vielen kleinen Momenten ein kurzer Blick aus dem Augenwinkel reicht, um gemeinsam in Lachen auszubrechen. Wenn ich an unvermuteten Orten einen Erinnerungsstein finde. Wenn es extra für mich neue Krokodil-Dokus gibt. Und wenn er, sobald ich wieder dieses Augenzittern bekomme, einfach meine Hand drückt und sagt: „raus damit“. Unbezahlbar.
Das sind meine persönlichen Valentinstage. Die es gar nicht verdient haben, so zu heissen, weil sie doch viel tiefgreifender sind. Und die vor allem nichts mit einem Massenphänomen und mit einem bestimmten Datum gemein haben.

Ich brauche keinen Valentinstag. Und eine Beziehung, die einen Valentinstag braucht, ist nichts für mich.